Giovanni schaut manchmal Frauentennis, nicht weil er Tennis mag, sondern weil die Spielerinnen gut aussehen, vor allem, ihre Beine und das Trikot, ist recht gut für den männlichen Zuschauer zugeschnitten. Er sieht gern zu, wenn die Spielerin gebeugt auf den Ball der Gegnerin wartet und dabei mit dem Po hin und her wackelt. Das berührt Giovanni und macht ihn munter, kreativer. So etwas Giovanni sieht gerne zu. Das nennt er „ Arte vivo e mobile“ – lebendige und bewegliche Kunst.
Wenn er Frauentennis schaut, weiß er am Ende nie, Wer gegen Wen spielt. Das Spiel war sehr interessant, sagt er zu seiner Frau, wenn sie sich nach der Gewinnerin erkundigt.
Heute Abend lud sie ihn ein, Frauenfußball zusammen zu schauen und setzte sich auf die Couch. Er hatte sich immer geweigert, doch er stand auf, holte sich eine Flasche Bier, eine Packung Chips und legte die Füße auf den Couchtisch. Nach einer Viertelstunde starrte er enttäuscht gekrümmt nach vorne.
„Amore, was ist das?“ schrie er und stellte die Flasche auf dem Tisch.
„Frauenfußball!“ schrie sie zurück. „Was hast du denn erwartet?“ fragte sie noch lauter als ihr Mann.
„Die sehen doch wie Männer aus“ sagte er eine Oktave tiefer und mit überraschtem Blick.
„Wer, zum Teufel, hat ihnen so ein männliches Trikot aufgezwungen, die Frauenhasser, ne? Ich gehe ins Bett!“ sagte er kurz und deutlich. „Ich habe dir mehrmals gesagt, sowas kann ich nicht sehen. Das ist Fußball-Beleidigung!“
„Geh zum Teufel!“ schrie wieder Maria lauter als er und schüttelte den Kopf.
„Du willst nur erotische Frauen sehen!“ schrie sie ihm nochmal hinterher. Giovanni kam aus dem Flur zurück, würdigte sie keines Blickes, trank sein Bier zu Ende, und verschwand ins Schlafzimmer. Maria schaltete den Fernseher aus, ging ins Bad und kurz danach folgte sie ihm ins Schlafzimmer.
„Willst du wirklich nicht gucken?“ fragte sie mit sanfter Stimme. „Du schaust doch gern Frauen beim Sport zu.“
„Nööö, die sehen doch wie Männer aus. Die laufen wie Männer, die spucken wie Männer, die kauen Kaugummi wie Männer, nöö Danke, das will ich nicht. Frauen in Shorts, das gefällt mir nicht. Das sind erniedrigte Frauen, die gezwungen wurden, wie Männer auszusehen…“
„Was sollte denn anders sein?“ unterbrach ihn seine Frau und stand vor dem Bett.
„Was sollte denn anders sein?“ wiederholte er ihre Frage. „Na, was denn? Sie sollen wie Frauen angezogen sein. Sie sollen wie Frauen aussehen. Das ist doch Menschenrechtsverletzung. Auch die Würde der Frau ist unantastbar! Hast du nicht gesehen, wenn die Aufnahme von Weitem gemacht wird, kann man gar nicht erkennen, was für eine Kreatur sie sind. Man muss sich das nur vorstellen. Das ist zu anstrengend für mich.“
„Ah, ja“ sagte sie, „wie sollen sie denn aussehen?“ und saß auf dem Bett.
„Ganz einfach, weiblich“ sagt er.
„Wie die Tennisspielerinnen zum Beispiel? Vielleicht auch noch mit Overknee-Stiefeln?“ fragte sie.
„Oh, genau, das wäre noch besser und würde viel mehr Zuschauer locken. Die Zuschauer werden gezählt und diese Zahl dient nachher als Wertmesser für das Markenprodukt. Die Einnahmen werden steigen und sie würden mehr verdienen und nicht so wenig wie jetzt. Wahrscheinlich bekommen sie nicht mehr als ein Pizzabäcker, der Pizza „Quattro Stazioni „ macht, und all das nur wegen einer klitzekleinen Kleinigkeit. Dumme Regeln!“
Seine Frauen hob den Kopf an und blickte ihn an. Sie kannte seine Veranlagung gut: er kaufte sogar Produkte, die zu Hause immer im Müll landeten, dennoch hatte er sie gekauft, nur weil sie von einer halbnackten Frau vermarktet wurden. Manchmal waren drei oder vier Packungen Margarine drin. Sie stand auf und ging wortlos in den Garten, um eine Zigarette zu rauchen.
Giovanni richtete seine Kissen und schloss die Augen. Vor dem Schlafen begann er, an das Fußballspiel zu denken. Das musste geändert werden, die Regeln, das Stadion, kurz gesagt: Alles. Die Frau ist eine Frau, weiblich, und auch im Stadion sollte sie so wirken.
Im hundert Meter Lauf ist die Frau fast 2 Sekunden langsamer als der Mann, und das Stadion soll 80 Meter und nicht 100 Meter lang sein, dachte er, breit etwa 40 Meter. So wie es heute ist, das ist reine Diskriminierung! Die Frauen werden gezwungen, wie Männer zu spielen und dabei männlich auszuschauen. Das ist eine Frechheit! Eine Zumutung! Beim diesem Gedanken schlief Giovanni ein. Plötzlich saß er auf der Tribüne. Deutschland gegen Frankreich. Hunderttausend Frauen jubelten. Die Männer wurden diesmal ausgeschlossen. Nur Giovanni sollte anwesend sein, als einziger Vertreter der Männersippe. Mehrmals wurde er auf der großen Leinwand im Stadion gezeigt. Die Zuschauerinnen jubilierten, als sie den einzigen Vertreter der männlichen Spezies sahen. Giovanni winkte ihnen mit der Hand, zurückhaltend. Kurz danach rief ihn die Bundestrainerin ins Stadion. Sie sagte ihm etwas ins Ohr, nahm einen Block aus ihrer Handtasche und Giovanni setzte sich hin. Das Publikum applaudierte fünf Minuten lang. Giovanni stand auf und hob die rechte Hand in die Luft.
Die deutsche Mannschaft trug Satinkleider, fast knielang. Die Französinnen Seidenkleider, etwas kürzer. So hatte es sich Sarkozy gewünscht. Die Deutschen trugen Rosa, die Gegnerinnen Weiß. Er schaute hin, sprachlos und konzertiert. Endlich Frauenfußball, dachte er. Nicht nur das, die Frauen hatten auch jede eine Brautkrone im Haar. In der Tat, dort standen elf deutsche Bräute gegen elf französische Bräute mit Blumensträußen in der Hand. „Uno spetacolo sensazionale!“, meinte er. Sie trugen auch Overknee-Stiefel, jedoch ohne Absatz, was ihn ein bisschen irritierte. „Etwas Absatz sollte schon sein, das muss geändert werden“ sagte er zur Bundestrainerin. Sie nickte mit dem Kopf und notierte es auf ihrem Notizblock.
Die Damen legten die Brautkronen hinter das Tor, warfen die Blumensträuße ins Publikum und der Schiedsrichter pfiff das Spiel an. Sie liefen nicht schnell, sondern weiblich, damenhaft und elegant, ohne wie Männer zu laufen, was ihm gefiel. In jeder Hälfte des Stadions standen große Spiegel, und wenn die Frisur nicht gut aussehen sollte, dann durften sie eine kleine Pause einlegen, so wie ein Break im Basketball, um vor den Spiegel zu gehen, sich zurecht zu machen, die Schminke zu korrigieren, ein Paar SMS zu beantworten und einen kleinen Cocktail zu trinken.
Giovanni hatte das Wasser verboten, sie durften höchstens eine Weinschorle zu sich nehmen. Beim Freistoß schützten sie sich nicht wie die Männer mit beiden Händen unten, sondern standen gerade, stolz mit den Haaren nach Hinten, die sanft vom Wind bewegt wurden. „Das ist arrogant, so viel Stolz“ schrie Giovanni. „Die möchten uns zeigen, dass sie für Fußball besser ausgestattet sind, als wir Männer. Die möchten uns damit zeigen, dass der Fußball für Frauen erfunden wurde. Das muss geändert werden“ sagte er zur Bundestrainerin. Sie nickte mit dem Kopf.“Sie sollen die Brüste schützen“ fuhr er fort, „sonst wirken sie uns so überlegen“. Kurz danach gab es noch ein Freistoß vor dem Tor. Die Spielerin bückte sich langsam nach Vorne, so wie in der Zeitlupe, wackelte drei oder vier Mal mit dem Hintern und dann schoss sie den Ball richtig weiblich: sanft, mit Eleganz, nicht so gefühllos wie die Männer. Die anderen Spielerinnen gingen Richtung Ball, so wie auf einem Laufsteg, wiegend und stolz. Mit viel Leidenschaft und Würde, ohne Gefahr zu laufen, ihre Frisur in Mitleidenschaft zu ziehen. Den Ball konnte keine aufhalten. Das Stadion stand auf den Beinen. Tor!
„Das ist perfekt“ sagte Giovanni. „Sie dürfen nicht schneller als sechs Km/h laufen“. Die Trainerin vermerkte dies in ihrem Heft. Eins zu Null, aber für wen, das wusste Giovanni nicht.
Draußen warteten noch tausende Fans. Er fotografierte manchmal, denn Giovanni wollte den Freunden zeigen, dass er das beste Fußballspiel gesehen hatte, und dass er einen Ehrenplatz bekommen hatte. Er hatte das Alles bekommen, weil er die Regeln für den Frauenfußball ausgedacht hatte und weil er die Trikots der Damen entwarf. Ab heute würde man in Gi+Ga nennen. Giovanni&Gabana!
Das war ein Spektakel! Die Nation stand vor dem Fernseher, wie nie zuvor. „Die erste Spielzeit soll dreißig Minuten dauern“ sagte er zu der Trainerin.
„Und die zweite?“ fragte sie.
Giovanni drehte den Kopf, um sie besser anzusehen und nach einer kurzen Überlegung sagte er : „Die zweite Spielzeit? Zwanzig Minuten. Sie sollen geschont werden“. Die Bundestrainerin nickte wieder, schrieb auf, ging Richtung Schiedsrichter und machte ihm ein Zeichen, indem sie auf ihre Uhr deutete. Der Schiedsrichter guckte Giovanni an und schüttelte den Kopf.
„Frauenfußball, das ist was wir heutzutage brauchen“, meinte Giovanni. „Das ist nur vergleichbar mit den Sommerspielen im alten Rom im Circus Maximus. Das Stadion soll größer werden, wie im alten Rom und es soll Platz für dreihunderttausend Zuschauer haben. Frauenfußball in Deutschland. Eine Art Reinkarnation der römischen Sommerspiele“. Das Spiel war noch nicht zu Ende. Manchmal lächelte er im Schlaf. Manchmal zuckte er mit den Lippen, manchmal zog er eine Augenbraue nach Oben. Er wartete ungeduldig auf das Ende des Spiels. Und siehe da, der Schiedsrichter pfiff und hob beide Hände nach oben. Die Deutschen verloren und die Damen gingen voller Eleganz, umarmten sich richtig innig, sportlich und herzlich, Minuten lang, dann tauschten sie die Kleider. Und sie taten das alles nach den Regeln und Giovannis Vorschriften. Keine trug BH, er hatte das ausdrücklich verboten.
„Schreibe bitte noch das“, sagte er zur Bundestrainerin:“Beim kaltem Wetter dürfen die Spielerinnen auch Strapse tragen“. Er sprang auf und rannte wie ein Mann zu den Frauen. Sie waren alle versammelt. Sie umarmten sich immer noch. Es war schwer, sie zu trennen. Die Französinnen entschuldigten sich, dass sie gewonnen hatten. Das war auch von Giovanni so vorgeschrieben, sie sollen nicht machen, was die Männer tun; stolz herumlaufen und springen. Man sollte schließlich die Gegnerin lieben wie sich selbst und als er mitten zwischen den Frauen hindurch marschierte, sah er Berlusconi im Tanga.
„Porca miseria, was machst du hier?“, schrie er wütend. Er sah ihn, lächelte und sagte nichts.
„Das sind doch mein Plan, mein Spiel, meine Regeln, wer zum Teufel hat dich hier her gebracht?“
„Ich wollte nur ein Paar Staatsanleihen verkaufen, bei der EZB und dann gehe ich weg“, sagte Berlusconi.
Die Spielerinnen setzten wieder die Brautkronen auf, sie machten einen japanischen Gruß in alle Seiten des Stadions und folgten den „Cavaliere“. Sie gingen zur Dusche, hinter ihnen zweiundzwanzig Friseure mit Fönen in der Hand.
Giovanni stand da, allein im Stadion und randalierte. In diesem Augenblick machte seine Frau die Tür auf und versuchte den brüllenden Giovanni zu beruhigen. Als er die Augen richtig auf machte, sah er seine Frau an.
„Deutschland hat verloren, ne?“
„Nein, Deutschland hat gewonnen“, sagte sie und legte sich hin. Er war traurig, weil all das nur ein Traum war. „Schade, wirklich schade!“, meinte er. „Und warum erscheint mir Berlusconi im Traum? Was würde Sigmund Freud darüber sagen? Berlusconi im Traum, das muss doch ein Zeichen einer schweren Krankheit sein!? Blutarmut vielleicht?“ fragte er sich besorgt, dann drehte er seiner Frau den Rücken zu und verdeckte seinen Kopf. Nach ein paar Minuten schlief Giovanni ein und begann wieder zu träumen…
von Lis Bukuroca
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